Brennende Felder: Roman
Für mich war "Brennende Felder" der erste Roman des Autors. Obwohl es sich um den dritten Band handelt, der aus dem Leben der Familie Fischer erzählt, hatte ich keine nennenswerten Probleme hier folgen zu können. Ab und an war ich zwar manchmal neugierig auf zurückliegende Ereignisse, um die Handlungen der Protagonistin Luisa besser nachvollziehen zu können, doch das Buch transportiert die wichtigen Eckdaten auch so hervorragend.
Luisa hat ihren vermeintlichen Vater schon immer angehimmelt, als sie dann von der Mutter erfährt, dass er nur der Vater ihrer Brüder ist, nicht aber ihrer, sucht sie seine Nähe nicht mehr als Tochter, sondern als Frau. Robert, genannt Bob, geht allerdings erst viele Jahre später darauf ein. Er und Luisa werden gut 20 Jahre ein Paar, ziehen wieder zurück in das kleine Dörfchen in Oberösterreich.
Im weiteren Verlauf merkt man schnell, dass Luisa kein leichter Mensch ist. Vor der Beziehung mit Bob hatte sie eine Beziehung mit einem Dänen und eine mit einem Schweden. Aus beiden ging ein Kind hervor, doch sie leben beim jeweiligen Vater. Luisa hat es sich leicht gemacht, und redet sich ein, dass sie alles richtig gemacht hat, der Fehler bei den Männern liegt.
Als Bob stirbt, wendet sie sich direkt dem nächsten zu. Ferdinand kommt aus der Gegend, hat einen Sohn, der bei ihm liebt, und ein großes Anwesen, welches er zu bewirtschaften hat. Erst scheint alles perfekt zu laufen. Luisa ist glücklich, bekommt die nötige Anerkennung, doch nach kurzer Zeit verfällt sie wieder in ihr altes Muster.
Dem Leser bleiben die Verhaltensauffälligkeiten bei Luisa nicht verborgen. Am Anfang glaubt man ihr das meiste, doch die Zweifel werden immer größer. Der Autor offenbart so Stück für Stück das ganze Ausmaß ihrer Persönlichkeitsstörung.
Am Ende der Lektüre war ich sehr froh niemand vergleichbaren zu kennen. Doch ein wenig Mitleid konnte ich dennoch aufbringen, denn wahrscheinlich liegt der Schlüssel in ihrer Vergangenheit. Sie ist ohne Hilfe von außen gar nicht in der Lage diese Verhaltensmuster zu durchbrechen, erkennt bei dem ganzen aber auch nicht, dass sie das Problem ist und nicht die anderen, wie sie immer denkt. Tragisch.
In „Brennende Felder“ setzt der Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker die Erzählung über die Familie Fischer fort, die in einem beschaulichen Dorf in der Nähe von Wels lebt. Mir waren die Vorgängerbücher nicht bekannt, trotzdem habe ich auch ganz ohne Vorwissen gut in die Handlung gefunden.
Luisa Fischer lebt mit ihrem Stiefvater zusammen in jenem kleinen Dorf in Oberösterreich. Nur räumlich sind Beide Teil des Dorfes, tatsächlich gehören weder Luisa noch Robert wirklich zur Dorfgemeinschaft. Das mag zum einen an Luisas Charakter liegen, der uns scheibchenweise offenbart wird, zum anderen aber sich auch an ihrer beider Vergangenheit, denn Luisa und ihr Stiefvater leben als Liebespaar zusammen in diesem Dorf. Richtig gelesen. Nachdem die Mutter Luisa einst im Teenageralter mitgeteilt hatte, dass Luisa das Ergebnis einer Affaire war und Robert nicht ihr leiblicher Vater ist, verlässt diese schon bald ihre Familie und beginnt ein unstetes Leben. Luisa zieht in den Norden, heiratet zweimal, lässt sich beide Male wieder scheiden und ihre jeweiligen Kinder bei ihren Exmännern zurück. Als ihr Stiefvater nach 20 Jahren vor ihrer Tür steht, lässt sie ihn wieder in ihr Leben und beginnt eine Beziehung mit ihm. Aufgrund einer größeren Erbschaft, die es Luisa ermöglicht, davon zu leben und sich ein schönes Anwesen zu kaufen, beschließen beide eine Villa im österreichischen Dorf zu kaufen, in dem Luisa einst aufwuchs und ihre Familie, ihre Mutter und ihr Bruder, noch heute leben.
Robert und Luisa leben ein unkonventionelles Leben in dem kleinen Ort. Sie haben sich von allem frei gemacht, von einer geregelten Arbeit, der Meinung anderer Menschen, sowie dem Kontakt zu anderen Menschen. Bob hält die Vergangenheit gefangen, nächtliche Streifzüge zu Ortsbewohnern mit möglicher Nazivergangenheit strukturieren seinen Alltag. Luisa sieht sich als Schriftstellerin, angehende, große Autorin. Tatsächlich hat sie noch nichts zu Papier gebracht, sieht aber ihren Durchbruch kurz bevorstehen. Sie lässt sich unstrukturiert durch den Tag treiben, notiert sich hier eine paar Worte, dort zwei Sätze und konzentriert sich nur auf sich und ihre Bedürfnisse. Die Beziehung zu Bob hat sich bereits merklich abgekühlt, letztlich ist sie auf dem Sprung zu neuen Ufern. Aus Langeweile beginnt sie schließlich Robert auf seinen nächtlichen Streifzügen zu begleiten, von denen schließlich der Letzte tragisch endet.
In der Folge wandert Luisa wieder plan- und ziellose umher, besucht ihre Kinder, die mittlerweile gelernt haben sich von der selbstsüchtigen und gefühlskalten Mutter zu schützen. Zurück im Dorf streckt Luisa ihre Fühler nach einem neuen Mann aus – und findet Ferdinand, den im Dorf voll integrierten Ministerialbeamten des Landwirtschaftsministeriums und Nebenerwerbslandwirt, der auf seinem Hof zusammen mit seinem Sohn lebt. Bei einem nächtlichen Besuch auf dessen Grundstück geschah das Unglück mit Robert und doch beginnt Luisa mit Ferdinand ein Verhältnis – ganz in der Überzeugung, dass alle Männer ihr verfallen müssen. Doch diese Beziehung verläuft etwas anders, als die bisherigen Beziehungen Luisas.
Als Leser erfährt man alles aus Luisas Sicht, so wie sie ihre Umgebung und ihre Mitmenschen wahrnimmt, so gibt sie es an uns weiter. Man muss schon beim Lesen Vorsicht walten lassen und Luisas Angaben hinterfragen. Sehr schnell wird klar, dass Luisa eine relevanten Persönlichkeitsstörung hat. Sie ist narzisstisch, empathielos, manipulativ, fast schon antisozial. Sie zirkelt kontinuierlich um sich selbst, ihre Vorstellung von ihrer eigenen Großartigkeit und Genialität, Schönheit und Attraktivität. Luisa hat keine engen Vertrauten oder Freunde, keine Familienmitglieder, nicht mal ihre Kinder sind ihr wichtig. Alle ihre Exmänner waren „Monster“, sie trifft keine Schuld am Scheitern einer Beziehung. Luisa bleibt dem Leser fremd, man kann sich definitiv nicht mit ihr identifizieren und trotzdem liest man gebannt weiter. So eine durchgehend unsympathische Protagonistin zu schaffen und trotzdem ein Buch zu schreiben, dass so sehr fesselt, ist schon ein Kunststück.
Ebenso weiß der Autor mit der sprachlichen Gestaltung zu überzeugen. Wie sich nach und nach Luisas abgründiger Charakter zeigt, wird latent durch stimmungsvolle Beschreibungen der Natur und der ländlichen Umgebung begleitet, die die Sogwirkung des Romans unterstützen. Man findet sich wieder in diesem kleinen Ort, sieht ihn plastisch vor Augen und darin Luisa, wie einen Fremdkörper. Luisa hinterlässt verbrannte Erde wo sie geht, so wie im Herbst die Mähdrescher auf den Feldern abbrennen. Auch wenn das dörfliche Leben mit seinen Landwirten, Jägern, Anglern und Kirchgängern nur eine Nebenrolle spielt, unterstützt es die Atmosphäre ungemein und schafft den starken Kontrast zur Protagonistin. Das Buch lässt viele Fragen unbeantwortet, auch das Ende weist für mich auf eine Fortsetzung hin. Insgesamt ist es für mich ein wirklich eindrucksvoller Roman, der mich neugierig auf weitere Bücher des Autors macht!
Im oberösterreichischen Rosental, einem fiktiven Dorf nahe Wels, brennen in der Sommerhitze heißgelaufene Mähdrescher und Ballenpressen, fast als stünden die Felder in Flammen. Von den apokalyptischen Bildern bemerkt die Protagonistin Luisa Fischer zunächst nichts, kreisen ihre Gedanken doch beständig nur um eines: sie selbst.
"Brennende Felder" von Reinhold Kaiser-Mühlecker, 1982 in Oberösterreich geborener Bio-Landwirt und Schriftsteller, ist der dritte Roman um die drei Kinder der Bauernfamilie Fischer. Während der älteste Sohn Alexander aus "Fremde Seele, dunkler Wald" sich von den Eltern abwandte, übernahm der jüngere Jakob aus "Wilderer" den Hof. Luisa floh früh aus der Familie und dem Dorf. Zwei gescheiterte Ehen später, mit einer beachtlichen Liste verflossener Wohnorte, verlassener Liebhaber und zwei bei den Vätern in Göteborg und Kopenhagen zurückgebliebenen Kindern, lebt sie seit kurzem wieder in ihrem Heimatdorf. Neuer Lebenspartner ist ausgerechnet Robert/Bob Fischer, der Mann, den sie für ihren Vater hielt, bis die Mutter ihr bei einem Streit an ihrem fünfzehnten Geburtstag das Wort „Rauschkind“ entgegenschleuderte. Keinen Gedanken verschwendet Luisa an Mutter und Brüder. Erst spät fällt ihr auf, dass sie und Bob mit der riesigen Fensterfront der Villa lebten, „als wären sie die Hauptdarsteller einer sehr speziellen, noch nie dagewesenen und bizarren Realityshow“ (S. 137)
Ein wiederkehrendes Schema
Dabei befindet sich ihre Beziehung zu Bob am Beginn des Romans bereits in einer fortgeschrittenen Phase von Luisas Beziehungsschema: Anziehung – Alltagslangeweile – Ausstiegsphantasien – Abbruch – Abscheu. Das Ende ist nur eine Frage der Zeit und ernsthafter Alternativen, da löst sich das Problem auf höchst abenteuerliche Weise von selbst.
Wie immer dauert es nicht lange, bis sie den nächsten Kandidaten aufs Korn nimmt: Ferdinand Goldberger, allseits beliebter Ministerialbeamter im Landwirtschaftsministerium und Hofbesitzer in Rosental mit elfjährigem Sohn. Ein neues Spiel beginnt.
Zwischen Lachen und Weinen
Ich habe mich zu Beginn des Romans mit der mehr als speziellen Protagonistin und ihrer verqueren Selbstwahrnehmung gequält, gar zu überzogen erschienen mir ihr Charakter und die Ausgangslage. Sobald ich beides jedoch akzeptiert hatte, entwickelte Luisas ungebremster Gedankenstrom einen unerwarteten Sog und ließ mich schwanken zwischen Lachen über ihr völlig abstruses Selbstbild und ihre schriftstellerischen Ambitionen und Weinen über die verbrannte Erde, die sie rundherum und besonders bei ihren Kindern hinterlässt. Mag ihr auch unter den unsympathischen Figuren der Literatur ein Spitzenplatz zukommen, als Romanfigur ist sie dank ihrer manischen Selbstüberschätzung, Egomanie, Rücksichtslosigkeit und eingebildeten Opferrolle auf erschreckende Art interessant. Schade nur, dass ich ohne Kenntnis der beiden anderen Bände so gar kein Gefühl für Luisas Familie bekam, vielleicht hätte ich sonst besser verstanden, wie sie zu einer derartigen Person werden konnte. Geholfen haben mir dagegen die sporadisch in den unzuverlässigen Erzählstrom eingestreuten klarsichtigen Momente und die Urteile anderer:
"War es nicht ungeheuerlich, dass Hjalmar damals gesagt hatte, sie sei gestört und solle sich in Behandlung begeben?" (S. 314)
"Brennende Felder" ist ein Buch mit Leerstellen, die Raum für Spekulationen (oder einen Folgeband?) lassen. Nur als Randthemen schwingen die aktuelle Situation der Landwirtschaft oder Umweltproblematiken mit, weshalb es für mich kein typischer Dorf- oder Heimatroman ist. Vielmehr ist es die gekonnt geschriebene Geschichte einer krankhaften, sich beharrlich der Realität verweigernden und zunehmend gefährlichen Frau, der ich im wahren Leben niemals begegnen möchte.
Dieses ist nun der dritte Teil des literarischen Kosmos rund um die dysfunktionale Familie Fischer in der oberösterreichischen Provinz. Es ist meine erste Begegnung mit ihr, was die oft gestellte Frage beantwortet: Ja, der Roman kann für sich allein stehen, man braucht kein Vorwissen aus den beiden Vorgängern.
Der komplette Roman wird aus der Sicht Luisas erzählt. Sie ist etwa Ende dreißig, hat zwei Kinder von zwei Männern, die nicht bei ihr leben. Sie ist schon viel in der Welt herumgekommen, geht keiner geregelten Arbeit nach, hat keine Aufgaben, dafür aber viele Träume. Sie sehnt sich nach Anerkennung und Ruhm als Schriftstellerin, viele ihrer halbgaren Gedanken kreisen um dieses Thema. Luisa kann man als selbstsüchtig, oberflächlich, empathie- und rastlos bezeichnen. Im Alter von 15 Jahren erfuhr sie, dass ihr Vater Robert nicht ihr biologischer Erzeuger ist. In Folge machte sie ihm eine Liebeserklärung, auf die jener 20 Jahre später zurückkommt – was tiefe Einsichten in seinen Charakter offenbart. Mittlerweile leben die beiden als Paar nahe Luisas Heimatdorf zusammen, wo sie sich eine schöne Villa mit Panoramablick auf die Berge angeschafft haben - eine Erbschaft machte es möglich. Die Beziehung zwischen Luisa und Taugenichts Robert ist langweilig geworden, sie bemängelt sein fehlendes sexuelles Interesse, wünscht sich einen neuen Kick. So wird Luisa ihren Bob künftig auf seinen nächtlichen Beutezügen als verkannter Robin Hood begleiten. Eine dieser Unternehmungen findet einen tragischen Ausgang, bei dem Bob unter dubiosen Umständen ums Leben kommt. Die Verlassene trauert jedoch nicht lange, sondern begibt sich erneut auf Freiersfüße. Der pflichtbewusste Ferdinand, Vater und anerkannter Landwirt in der Nachbarschaft, ist ihr auserkorenes Opfer. Gerade seine Zurückhaltung weckt ihr Interesse, und sie bekommt doch letztlich alles, was sie will oder etwa nicht?!
Der Roman wird als eine Art konsequenter Gedankenstrom erzählt, man erhält nur die unzuverlässig subjektive Sicht der Protagonistin Luisa auf ihre Welt. Schnell ist klar, dass sie unter einer psychischen Störung leiden muss, denn Selbst- und Fremdbild weichen krass voneinander ab. Luisa überschätzt sich permanent, heischt nach Aufmerksamkeit, verhält sich unreif und egozentriert. Freunde hat sie keine, über ihre Herkunftsfamilie denkt sie nur abfällig, ihre Kinder sind ihr „fern wie Sterne“. Eine solch konsequent gestörte Figur angesiedelt in der idyllisch-dörflichen Bergwelt Österreichs hat einen besonderen Reiz, der Kontrast ist offensichtlich. Im Verlauf des Romans lernt man Luisa mit den Untiefen ihrer Persönlichkeit immer genauer kennen. Ihre Fixierung auf die Schriftstellerei kann zwar kaum ernst genommen werden, trotzdem liest man ihre theoretischen Ausführungen zum Thema als bibliophiler Mensch mit großem Interesse. Luisa ist eine mehrfach gescheiterte Existenz. Mitleid empfindet man nicht mit ihr, auch wenn in seltenen Fällen kritische Selbstreflektionen ihren Geist streifen (die aber schnell verpuffen und ins Leere laufen).
Ich halte Luisa für eine außergewöhnlich gelungene literarische Figur. Wann hat man schon die Gelegenheit, einem emotional derart stark beschädigten Charakter so tief in die Seele zu blicken, wie es Kaiser-Mühlecker hier zulässt? Natürlich hat sie keinerlei Identifikationspotential, wer danach sucht, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Luisa ist sich selbst die Nächste, sie hinterlässt überall verbrannte Erde, was auch dem Titel des Romans einen doppelten Wortsinn verleiht.
Wie nebenbei verhandelt der Autor weitere Themen wie z.B. die Veränderung der ländlichen Welt, Auswirkungen des Tourismus auf die Bergregion, Ausbeutung der Natur oder die Folgen des Klimawandels. Seine Expertise als Landwirt lässt Kaiser-Mühlecker hier mit einfließen. Die wunderbar anschaulichen Natur- und Landschaftsbeschreibungen bilden einen eindrucksvollen Kontrast zu den gezeigten menschlichen Abgründen. Der Autor ist ein Meister seines Fachs. Seine langen, kunstvoll strukturierten Sätze, die nie angestrengt wirken, sind ein Genuss. Wechselnde Atmosphären und Tempi halten die Spannung konstant hoch, den Plot empfinde ich als sorgfältig austariert.
Am Ende wird längst nicht alles auserzählt. Manche Frage bleibt offen, lässt Raum für eigene Gedanken oder für die Diskussion mit anderen Lesern. Definitiv bekommt man Lust, tiefer in die Sphäre der verkorksten Familie Fischer einzusteigen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Luisa bei den Wilderern oder im Dunklen Wald. Kaiser-Mühlecker könnte einer meiner Lieblingsautoren werden.
Große Leseempfehlung!
Mit „ Brennende Felder“ schreibt Reinhard Kaiser-Mühlecker seine Trilogie um die Bauernfamilie Fischer aus der österreichischen Provinz fort. Standen in den Vorgängerromanen „ Fremde Seele, dunkler Wald“ , 2016 erschienen, und „ Wilderer“, 2022 erschienen, beide nominiert für den Deutschen Buchpreis, die Brüder Alexander und Jakob im Zentrum, so ist es hier Luisa, die Schwester.
Die hat früh den elterlichen Hof verlassen und in diversen Großstädten ihr Glück versucht. Sie hat zwei Kinder bekommen und die bei ihren Vätern in Dänemark und Schweden zurückgelassen. Nun ist sie nach mehr als zwei Jahrzehnten in ihr Heimatdorf zurückgekehrt und hat mit ihrem Lebensgefährten eine Villa am Ortsrand bezogen.
Mutig von den beiden, handelt es sich hier doch um Tochter und Stiefvater. Von ihrer Mutter hat Luisa im Alter von fünfzehn Jahren erfahren, dass sie garnicht die leibliche Tochter ihres vermeintlichen Vaters ist, sondern ein „ Rauschkind“, das Ergebnis eines Fehltritts . Luisa war schon als Kind in ihren „ Vater“ verliebt und als der dann plötzlich vor ihrer Hamburger Wohnung steht, beginnt eine intensive Liebesbeziehung zwischen ihr und Bob, wie sie Robert nennt. Die ist zwar mittlerweile etwas abgekühlt, denn Bob unternimmt viele Alleingänge und redet wenig. Dann kommt er bei einem seiner nächtlichen Raubzüge ums Leben und Luisa zieht wenige Zeit später zu dem Mann, den sie verantwortlich macht für den Tod von Robert.
Alles sehr befremdlich! Luisa hat keine Probleme damit, ihre Kinder bei den jeweiligen Vätern zurückzulassen, obwohl sie ihre Exmänner als „ Monster“ und „ gefährlich“ einschätzt. Sie findet es auch nicht besonders seltsam, mit ihrem Stiefvater zurückzukehren, obwohl ihre Mutter noch im Dorf wohnt. Und nichts hält sie davon ab, mit dem vermeintlichen „ Mörder“ ihres vorigen Geliebten zusammenzuziehen.
Wir erfahren von alledem aus der eingeschränkten Perspektive Luisas.
Reinhard Kaiser- Mühlecker erzählt seine Geschichte langsam und äußerst detailliert, trotzdem vermag er Spannung aufzubauen. Ein gewisser Lesesog hat sich auch bei mir eingestellt, obwohl ich die Lektüre als äußerst zwiespältig empfunden habe. Denn Luisa ist nicht nur für ihre Umgebung eine einzige Zumutung, sondern auch für den Leser. Ich habe sie als eine völlig gestörte Frau empfunden, eine, die unfähig ist, Nähe zu entwickeln und eine wirkliche Beziehung zu jemandem aufzubauen. Dabei macht sie im Verlauf der Handlung keine erkennbare Entwicklung durch. Sie ist rast- und ruhelos, nirgends heimisch, und ihre Beziehungen bleiben an der Oberfläche.
Luisa ist ein Paradebeispiel für einen unzuverlässigen Erzähler. Dieser literarische Kniff ist reizvoll, weil es den Leser zwingt, das Erzählte zu hinterfragen. Bald weiß man nicht mehr, was man tatsächlich glauben soll oder was der Perspektive des Erzählers geschuldet ist. Luisa ist tatsächlich ein einziger Widerspruch. Nicht nur, dass sie immer wieder Dinge über sich behauptet und dies im nächsten Moment widerlegt. Nein, auch vieles von dem, was sie denkt , steht im Gegensatz zu dem, was sie macht.
Luisa ist also eine Figur, die nicht zu fassen ist. Je mehr man über sie liest, desto weniger weiß man verlässlich über sie. Auch weil ihr Selbstbild überhaupt nicht mit der Realität übereinstimmt. So sieht sie sich schon als gefeierte Schriftstellerin, weiß, was sie in Interviews antworten wird, dabei hat sie kaum etwas Vernünftiges zu Papier gebracht. Ihr „ Buch“ - in Wirklichkeit Säcke voller „ Müll“.
Das wäre zum Lachen, wenn es nicht gleichzeitig so traurig wäre. Denn Luisa spürt ihre innere Leere und braucht deshalb die Bestätigung von außen. Sie muss gesehen werden, um zu existieren.
Manche Leser sind fasziniert von dieser Figur; mich hat sie abgestoßen und genervt. Und bis zum Ende habe ich mich gefragt, warum ich dieser kranken Frau folgen soll. Ich weiß auch nicht, ob ich diese Figur wirklich ernst nehmen kann. Dazu hat meiner Meinung nach der Autor einfach zu dick aufgetragen. Wie realistisch ist Luisa und soll sie das überhaupt sein?
Das Buch hinterlässt Fragen beim Leser. Nicht alles wird tatsächlich aufgeklärt, bei vielem tappen wir im Nebel, weil auch Luisa in einer Blase lebt und nicht darüber hinaussehen kann.
Reinhard Kaiser- Mühlecker schreibt mit diesem Roman seinen literarischen Kosmos fort. Es tauchen hier nicht nur Charaktere aus den Vorgängerromanen „ Fremde Seele, dunkler Wald“ und „ Wilderer“ wieder auf, sondern ebenso Figuren aus anderen Romanen von ihm. Und manches, was wir hier erfahren, lässt vorher Geschriebenes in einem neuen Licht erscheinen.
Auch wenn dieses Buch für sich alleine stehen kann, wirft es doch so viele Fragen auf, dass man sich beinahe gezwungen fühlt, alle Bücher dieses Autors lesen zu müssen..
Für mich war „ Brennende Felder“ der dritte Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker und mir reicht es nun mit der Familie Fischer.
Was ich aber anerkennen muss, ist das literarische Können des Autors. Er geht souverän mit Sprache um, findet schöne Bilder für die Natur und die Landschaft und er hat seinen Roman vollkommen durchkomponiert. Vor allem aber konnte er sich sehr gut in diese gestörte und gefährliche Frau hineinversetzen und ihr kompliziertes Innenleben beleuchten. Trotz dieser Nähe zu seiner Hauptfigur beschreibt er ihr falsches und überhöhtes Selbstbild mit leiser Ironie.
Der österreichische Autor arbeitet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit als Biobauer auf dem eigenen Hof. Er thematisiert in seinen Romanen auch sehr oft bäuerliche Strukturen und die Veränderungen landwirtschaftlichen Lebens. In diesem Roman aber werden solche Aspekte, wie finanzielle Schwierigkeiten von Bauern, die Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt oder die Veränderungen im dörflichen Zusammenleben, nur am Rande angesprochen. Hier fangen zwar in der Gluthitze des Sommers die Mähdrescher Feuer, aber die „ Brennenden Felder“ verweisen eher auf die metaphorische „ Verbrannte Erde“, die Luisa hinterlässt.
Warum sind alle so gemein zu mir? Niemand erkennt meine unzähligen Talente und weiß mich zu schätzen.
So oder so ähnlich lauten die Gedanken von Luisa Fischer in dem Rom „Brennende Felder“. Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt konsequent aus der Perspektive dieser Frau, so dass wir als Lesende auch nur Luisas Wahrheit kennenlernen.
Luisa betrachtet sich selbst als Schriftstellerin, die allerdings immer nur wenige Zeilen schreibt, wenn ihr danach ist, bestreitet ihr Leben aus einer Erbschaft. Sie hat zwei Kinder, die sie bei ihren jeweiligen Vätern aufwachsen lässt, weil sie sich von diesen Männern nicht wertgeschätzt fühlt. Einige Jahre lebt sie mit dem Mann zusammen, den sie ursprünglich für ihren Vater gehalten hat. Zufrieden ist sie nie.
Schließlich lernt sie Ferdinand kennen und versucht, auf seinem Hof mit seinem Sohn Anton ihr Glück zu finden.
Mir fiel es zunächst sehr schwer, in das Buch hineinzufinden, weil es so verworren wirkt.
Letztendlich stellt sich aber heraus, dass diese Verwirrung Luisas Gedankengängen geschuldet ist.
Dadurch entwickelt die Erzählung einen ganz eigenen Reiz. Es bleiben zwar viele Fragen zu der eigentlichen Handlung des Buches offen. Das stört hier jedoch nicht, weil es faszinierend ist, welche Einblicke Kaiser-Mühlecker uns in die Gedankenwelt dieser schwer gestörten Persönlichkeit verschafft.
Insgesamt ein Buch, auf das man sich einlassen muss, das jedoch auf keinen Fall bereut.
Reinhard Kaiser-Mühlecker, österreichischer Bio-Bauer und Schriftsteller, legt mit "Brennende Felder" nach "Fremde Seele, dunkler Wald" und "Wilderer" den dritten Roman vor, der um eine Bauernfamilie in Oberösterreich kreist. "Brennende Felder" funktionniert dabei aus sich heraus, die Vorgängerromane muss man nicht gelesen haben.
Für mich findet sich bereits auf Seite 31 ein Schlüsselsatz dieses Romans: "Nähe. Mein Gott, wie viel Zeit hatte sie in ihrem Leben damit verbracht, darüber nachzudenken, weshalb sie sie nicht empfinden konnte. Wie fern andere waren." "Sie", das ist Luisa, die mit zwei Brüdern auf einem Hof in Oberösterreich aufgewachsen ist. Sie erfährt im Alter von 15 Jahren, dass sie ein Kuckuckskind ist, verläßt die Familie, in der sie aufgewachsen ist, dann das Dorf, lebt u. a. in Städten in Dänemark und Schweden, geht zwei Ehen ein, die scheitern, hat zwei Kinder, die bei den Exmännern leben.
Nach 20 Jahren trifft sie, mittlerweile alleinlebend in Hamburg, den Mann wieder, der sie aufgezogen hat und geht mit ihm eine Liebesbeziehung ein. Es ist der Mann, den sie 15 Jahre lang für ihren Erzeuger hielt, der der leibliche Vater ihrer Brüder ist und kehrt mit ihm in das Dorf ihrer Kindheit zurück. Luisa ist eine nicht mehr ganz junge, attraktive Frau. Der Typ Frau, der, sobald sie den Raum betritt, alle männlichen Blicke auf sich zieht.
Mit jeder Seite des Romans taucht der Leser tief in Luisas Gedanken ein, in ihre Sicht der Welt, in ihren Alltag. Schnell wird klar, Luisa lebt in ihrem eigenen, geschlossenen Kosmos, dessen Fixstern sie selbst ist und um den sich alles dreht. Sie sehnt sich nach Nähe, nach Anschluss und Anerkennung, findet diese aber nur in sexuellen Beziehungen. Scheitert die jeweilige Beziehung, liegt es nicht an ihr, immer an den anderen. Nah ist sie nur sich selbst, kann sich nicht in die Gefühle anderer hineinversetzen.
Als Leser verfolgt man fassungslos und gleichzeitig völlig fasziniert Luisas Treiben im Dorf, scheinbar so frei von Konventionen und bürgerlichen Moralvorstellungen. Das alles ist dermaßen geschickt vom Autor beschrieben, dass man erst gegen Ende des Romans zu wissen glaubt, was für ein Mensch Luisa wirklich sein könnte. Denn erzählt wird ausschließlich aus Luisas Perspektive. Dabei hat der Plot es wirklich in sich. Die Spannung wird durch einen unaufgeklärten und als Unfall dargestelltenTodesfall aufgebaut, und steigert sich dadurch, dass immer mehr Zweifel an Luisas Wahrnehmung und Darstellung der Geschehnisse aufkommen.
Ich bin in einen regelrechten Lesesog geraten, getrieben von der Frage, wer ist diese Luisa, was will sie, wie wird das enden, kann man ihr trauen ? Der Autor hat mit Luisa einen schillernden, Fassungslosigkeit und Faszination auslösenden Frauencharakter geschaffen, wie man ihn so in der Literatur selten findet. Dabei bleibt ihre Figur durchaus glaubwürdig, denn bei Menschen und ihren Macken gibt es ja leider nichts, was es nicht gibt.
Gefallen haben mir zudem die Beschreibungen der Natur, der Wetterverhältnisse, der Jahreszeiten und der oberösterreichischen Landschaft, Formulierungen wie z. B. "die sich im ausladenden Halbkreis am Horizont scharf abzeichenden Berge". Kaiser-Mühlecker läßt die ländliche Atmosphäre, etwa die derbe Jägerschaft, die trinkend beisammen sitzt, ebenso fühlbar werden wie die karge Kommunikation zwischen der einheimischen Bevölkerung, die einfach nur als Sprachlosigkeit bezeichnet werden kann. Das sind keine Menschen, die nächtelang ihre Befindlichkeiten ausdiskutieren.
Das Setting aus Land und Leuten läßt insbesondere ab der zweiten Hälfte des Romans an einen modernen Heimatroman denken. Doch wird die Bezeichnung Heimatroman "Brennenden Feldern" ganz und gar nicht gerecht, denn es handelt sich um viel mehr, nämlich um große Literatur.
Ich vergebe 5 Sterne. Sehr Lesenswert !
Luisa ist eine ungewöhnliche Frau mit einem ungewöhnlichen Leben. Als Teenager verknallt sie sich in ihren Vater, der nicht ihr Vater ist, verlässt dann die Familie und beginnt ein unstetes Leben. Nach zwei gescheiterten Ehen, aus denen jeweils ein Kind hervorgegangen ist, zu denen sie aber nur sporadischen Kontakt pflegt, steht der Nicht-Vater vor der Tür, bereit für die Beziehung, zu der er vor 20 Jahren nicht fähig war. Als er unter nicht ganz geklärten Umständen zu Tode kommt, und Luisas Leben wieder aus den Fugen zu geraten scheint , wird gerade der Mann, der Anteil am tragischen Tod von Luisas Partner zu haben scheint, ihr Rettungsanker.
Selbst wenn ihr manches nicht gefiel: Sie hatte sich für ihn entschieden, und würde dabei bleiben, selbstredend würde sie das. (Seite 233)
Luisa scheint in einer beständigen Beziehung mit Ferdinand angekommen zu sein. Wäre da nicht sein besonderer Sohn Anton.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich wollte eigentlich letztes Jahr den Roman Wilderer von Reinhard Kaiser-Mühlecker lesen, aber wie es so oft kommt, wenig Zeit und anderen Leseprojekten den Vorzug gebend, hatte ich den Autor mit seinem Werk schon vergessen. Umso mehr freut es mich, dass ich nun den neuen Roman lesen kann.
Soviel gleich vorweg: „Brennende Felder“ erzeugt einen gewaltigen Lesesog, die Seiten fliegen nur so dahin und gekonnt gesetzte Leseakzente geben der Lektüre den richtigen Kick!
Luisa, um die es sich im Roman hauptsächlich handelt, ist eine schillernde Romanfigur. Ihr Charakter, erklärt und interpretiert an Darstellungen ihrer Gedanken, ihres Handelns, ihres Empfindens und ihrer Reflexe auf die Außenwelt, ist literarisch enorm gut rübergebracht. Ich mag die Beschreibung ihrer Persönlichkeit, ich mag es in ihren Gedanken zu stöbern und die Welt durch ihre Augen zu sehen, und finde ihre affektiven Störungen grandios dargeboten. Luisas Handlungen beziehen sich nur auf ihren eigenen Kosmos, was außerhalb dieses Radius liegt, wird entweder nicht wahrgenommen oder so zurechtgebogen, dass es passt. Fasziniert von ihrem Verhaltensmuster kann ich gar nicht mit dem Lesen aufhören!
Welch sonderbare Gedanken oder Aufwallungen sie manchmal hatte. Was alles in einem Menschen Platz hatte. In ihr zumindest. (Seite 220)
Kaiser-Mühlecker schafft es scheinbar mühelos, eine Person mit komplexer Struktur in besonderen Farben zu zeichnen. Alle haben eine Meinung über sie und alle urteilen über sie, mich eingeschlossen.
Luisa ist enorm facettenreich und vielschichtig, und bis zum Ende des Romans weiß ich immer noch nicht wen ich vor mir habe. Von Anfang an besteht der Eindruck, dass der Autor sie erzählt, aber nicht erklärt. Kaiser-Mühlecker präsentiert uns hier ja eine fertige Person, eine fiktionale Vorstellung, wie so ein (fiktionaler) Mensch tickt, in einem Umfeld, in dem auch ihre Mitmenschen eigen sind.
Denn eines muss man Luisa lassen: darin, sich ihre Welt zurecht zu legen wie es für sie gerade passt, ist sie konsequent bis zum Schluss.
Sie war gut darin, zu bekommen, was sie wollte; sehr gut sogar. (Seite 233)
Dass das Ende dann mit einem Knall eingeläutet wird, sie wieder vor dem Nichts steht und wieder von vorne anfangen muss, aus ihrem Handeln nichts mitnehmen kann oder will, schließt die Geschichte über eine in vielen Farben und Phasen schillernden Frau.
Und wo sollte sie hin, wenn auch er sie verstieß, wie sie alle verstoßen hatten bisher, als hätte sie Aussatz? (Seit 363)
Fazit
„Brennende Felder“ von Reinhard Kaiser-Mühlecker ist das 3. Buch der Trilogie der Familie Fischer aus dem österreichischen Rosental. In der Darstellung ihres Lebens vermag der Autor die vielen Farben und Phasen einer komplexen Person mit affektiver Störung zu zeichnen. Ein Roman, der voll und ganz überzeugt.
Tiefe Einblicke in die merkwürdige Gedankenwelt und das ziel- und planlose Leben einer Frau auf dem Hintergrund österreichischen Landlebens
Ich gestehe: anfangs hätte ich das Buch am liebsten abgebrochen, aber wenn man mit Geduld weiter liest, kann man nur staunen über die Gedankenwelt einer Frau und wie geschickt der Autor das vermittelt: in einem steten Gedankenstrom, in dem sich die Hauptperson Luisa ständig selber falsch einschätzt, sich widerspricht und unwillentlich die Ziel- und Planlosigkeit ihres Lebens offen legt. Nach und nach erfahren wir Bruchstücke, aus denen wir uns ein unvollständiges Bild zusammensetzen können, wobei man sich darüber im Klaren sein muss, dass es so, aber auch anders sein kann, denn dieser Luisa kann man als typisch unzuverlässiger Erzählerin nicht alles glauben.
Tatsache ist jedenfalls, dass sie aus einem österreichischen Dorf stammt, mit 15 Jahren erfährt, dass ihr Vater gar nicht ihr Erzeuger ist und ihm ihre Liebe gesteht. Er geht darauf nicht ein und irgendwann zieht Luisa in die Welt hinaus, worüber man nicht allzu viel erfährt. Sie hat allerdings zweimal geheiratet und zwei Kinder, die mit ihren Vätern in neuer Familie in Malmö und Kopenhagen leben. Hin und wieder besucht Luisa sie spontan und erwartet, dass sich dann alles um sie dreht.
Nach einer Zwischenstation in Hamburg steht auf einmal Robert, der Stiefvater vor der Tür, den sie Bob nennt und mit dem sie eine Beziehung beginnt. Seltsamer noch: auf seinen Wunsch ziehen sie in ihr Herkunftsdorf zurück, das sich natürlich so wie alle ländlichen Bereiche verändert hat. Das kommt allerdings nur am Rande vor; wir bleiben weiterhin in Luisas abstruser Gedankenwelt, Luisa, die sich selbst völlig falsch als begehrenswerte Frau einschätzt und die sich schon als erfolgreiche Schriftstellerin sieht.
Was mit Robert/Bob passiert, muss jeder selber lesen … jedenfalls gibt es nach ihm eine weitere Beziehung und alle laufen nach dem gleichen Schema ab: große Anziehung, Alltag und Routine, Entfremdung, Abscheu. Als Leser kann man kaum mit dem Kopfschütteln aufhören, aber wenn man mit ein wenig Abstand auf Luisa guckt und sich dann in der Welt umschaut, wird man auf ähnliche Muster stoßen und vielleicht mehr verstehen als vor dem Lesen dieses Buches.
Zwar ist Luisas Fall ein wenig übertrieben, sie ist vielleicht ein bisschen zu sehr gestört dargestellt, aber dadurch wird es um so deutlicher, dass es Menschen gibt, die nur sich selber kennen, alles auf sich beziehen, sich die Realität zurechtbiegen und nicht in der Lage sind, eine funktionierende Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen. Wenn sie nicht in gefährlichem Maße gestört wäre, könnte sie einem leid tun, denn sie ist zutiefst einsam. In ihrer starken Ich-Bezogenheit, Widersprüchlichkeit und ihrem nervenden Verhalten 'entfernt sie alle wie Unkraut' aus ihrem Leben, die sie nicht so sehen wie sie sich selbst.
Einerseits ist dieses Buch anstrengend und manchmal ermüdend zu lesen, andererseits zeichnet es das Psychogramm einer gestörten Frau, von deren Sorte es viele gibt, die ohne Plan und Ziel durchs Leben mäandern und keinerlei Einsicht zugänglich sind. Es ist für den Leser quasi eine Lektion in Menschenkunde.
In ihrem noch zu schreibenden Roman will Luisa 'die unsichtbaren und namenlosen inneren Vorgänge, die sich... im Tun und Lassen … spiegelten' darstellen (188), was mir genau die Intention des Autors zu sein scheint.
Fazit
Habe ich mich anfangs noch ein wenig mit dem Lesen gequält, hat dieses Buch zunehmend einen Lesesog entwickelt und mir interessante, nachdenklich machende Eindrücke in die menschliche Psyche verschafft. Dazu überzeugt es mit seiner erzählerischen Qualität, sowohl in der Konstruktion als auch in der Sprache. Der Autor hat schon einige Bücher über diese Familie geschrieben, die ich bei nächster Gelegenheit lesen möchte.
Kurzmeinung: Reinhard Kaiser-Mühlecker ist einer der bedeutendsten Autoren der Zeit.
Reinhard Kaiser-Mühlecker schreibt bereits den dritten Roman über „Rosental“. Nach „Fremde Seele, dunkler Wald“, und „Wilderer“, Romane, in denen der Autor nacheinander die Kinder von Robert Fischer, nämlich Alexander und Jakob, ins Visier nahm, ist nun in "Brennende Felder" der jüngste Spross der Familie Fischer, die Tochter dran. Ihr Leben nimmt der Autor unter die Lupe.
Luisa, um die 40, lebte freilich schon lange nicht mehr in Rosental. Sie ertrug es nicht in der engen muffigen Atmosphäre eines Dorfes, das ihr nichts zu bieten hatte. Mit einem Arsenal an multiplen Talenten gesegnet, zog sie in die große weite Welt hinaus, diese zu erobern. Die Familie Fischer, die nicht das beste Verhältnis zur Tochter bzw. Schwester hatte, ist nicht entzückt als Luisa plötzlich wieder da ist und sich im Nachbardorf niederlässt, wo sie eine Villa kauft und mit ihrem wesentlich älteren Lebenspartner logiert. Das Dorf beäugt sie ein wenig argwöhnisch, ist ansonsten aber freundlich abwartend. Argwöhnisch, denn Luisa und ihr Partner machen nichts an dem Haus, die Fassade ist nur halbfertig, Dörfler finden das wahrscheinlich faul, zumindest strange, Luisa und Bob jedoch machen sich nichts aus den Meinungen der anderen, sie sind exzentrische Künstlernaturen und keine banausigen Bauern wie die anderen. Aber schlussendlich sind sie von hier: Heimat hat eine enorme Zugkraft!
Luisa und Bob sind dennoch anders. Das kann man wohl sagen. Schon ihre Verbindung untereinander ist besonders. Die junge Frau - der viel ältere Mann. Er könnte ihr Vater sein! Es ist nicht Luisas erste längere Beziehung. Sie hat einen Mann in Kopenhagen zurückgelassen und einen in Göteborg. Mit jedem dieser Männer, erfolgreiche Männer sind das gewesen, war sie verheiratet und hat sie jeweils ein Kind. Von Zeit zu Zeit besucht sie ihre Kinder und verbringt Qualitätstime mit ihnen. Qualität ist immer besser als Quantität. Luisa bietet ihren Kindern etwas! Die Kinder haben eine tolle Mutter, hätte sie selber doch auch so eine tolle Mutter gehabt.
Zu ihrer eigenen Mutter ist die Verbindung abgebrochen, was Luisa manchmal bedauert, vor allem in prekären Situationen. Und sie weiß nicht warum, aber Luisa gerät immer wieder in prekäre Situationen. Und das obwohl sie Expertin auf verschiedenen Gebieten ist, sie kann Singen und Schauspielern, versteht etwas von der Welt und von Pädagogik, schließlich hat sie von den in Erziehungsfragen führenden skandinavischen Ländern manches abgeguckt, diese Erfahrungen kommen ihr auch in ihrer neuen Beziehung zugute, weil Ferdinand Goldberger einen halbwüchsigen Sohn mit autistischen Zügen hat, und sie Anton bei den Hausaufgaben hilft und überhaupt auf dem Hof aushilft, der eine ordnende Hand nötig hat: sie macht den Haushalt, betreut Ferdinand, der mit seinen vielen Ämtern (Landrat?) kaum weiß, wo ihm der Kopf steht und schreibt nebenbei einen Roman. Das soll ihr erst mal einer nachmachen! Und außerdem ist Luisa the sexiest woman alive. Ja, tatsächlich - der Lebenspartner, mit dem sie in die Dorfvilla gezogen war, ist ihr inzwischen abhanden gekommen. Aber Männer gibt es ja so viele! Sie versteht nicht, warum manche Frauen sich so schwer tun mit der Partnersuche!
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Der Autor wagt mit dieser Figur etwas. Man ist hin- und hergerissen, während man tief in Luisas Gefühls- und Gedankenwelt eintaucht. Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung klaffen auseinander. Was ist Luisa für ein Mensch? Damit hat man sich zu beschäftigen.
Der Stil Kaiser-Mühleckers ist, ja, wie soll man sagen, der Kerl kann einfach schreiben! Jahreszeiten und Dorfschauen spielen nicht die Hauptrolle, bieten aber eine wunderbare Kulisse. Die Farben sind noch da. Aber das idyllische Dorf von anno dunno ist dabei, zu verschwinden. Rote Laster, beladen mit was ?? Kaiser-Mühlecker verrät es nicht, lässt sie aber unheildrohend schwer beladen hin und fahren: irgendein Raubbau an der Landschaft ist im Gange; überall werden seelenlose Neubauten hochgezogen, die Landwirte kämpfen schwer verzweifelt und erfolglos ums Überleben. Die Felder brennen.
Im Prinzip bin ich von Kaiser-Mühleckers Roman der brennenden Felder genau so begeistert wie von dem ersten Roman, den ich von ihm las, nämlich „Wilderer“, während der Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“ noch auf mich wartet – gäbe es da nicht diese Unwägbarkeiten. In zwei Schlüsselszenen lässt der Autor mich im Regen stehen, ist er vage, diffus, unscharf. Das hat seinen Reiz. Man kann raten, was passiert ist. Es ist mir aber doch zu vage, doch zu diffus. Ein paar Hinweise mehr hätte ich gebraucht, um mich pudelwohl in Rosental zu fühlen. Der entstehende Lesesog und eine Menge Humor zwischen den Zeilen machen das Manko wett. Kaiser-Mühlecker ist einfach zu gut, um unter 5 Sterne zu gehen. Er ist einer der bedeutenden Autoren der Gegenwart.
Fazit: Bleibt Luisa in Rosental? Was wird aus diesem Dorf? Die roten hin-und herfahrenden Laster deuten auf einen weiteren Roman in der Pipeline des Autors hin. Den muss ich haben! Jeder Roman kann übrigens sehr gut für sich allein gelesen werden, ich bin ja auch erst im zweiten eingestiegen.
Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Verlag: S.Fischer, 2024
Luisas Welt
Luisa Fischer ist eine Frau, die als Romanfigur in Reinhard Kaiser-Mühleckers Roman „Brennende Feld" beim Leser für eine gehörige Portion Fassungslosigkeit sorgt, und die man im echten Leben nicht kennen möchte.
Sie ist eine Frau, die die Männer lieben, doch Luisa liebt nur sich und das Bild, das Andere von ihr haben, wenn sie sich an der Seite eines aktuell auserkorenen „Mann fürs Leben“ präsentiert. Und von den Männern fürs Leben gab es einige, in der Regel nacheinander, zeitweise auch gleichzeitig, denn moralische Skrupel sind Luisa Fischer fremd.
Frau Fischer ist sprunghaft, egozentrisch, wirklichkeitsfremd, verantwortungslos und immer darauf bedacht, etwas darzustellen. In ihrem bisherigen Leben hat sie jedoch noch nicht viel erreicht. Luisa ohne Partner ist undenkbar. Denn die Männer dienen in Luisas fragwürdiger Vorstellung der Realität, in der sie der Mittelpunkt ist, als schmückendes Beiwerk.
Die Protagonistin ist in einem Dorf in den österreichischen Alpen aufgewachsen, das sie jedoch früh verlassen hat. Irritierend, aber wahr: mit 15 erklärt sie ihrem Stiefvater Robert aka Bob ihre Liebe zu ihm, dieser weist sie zurück, mit der Mutter überwirft sie sich.
20 Jahre später, sie lebt mittlerweile in Hamburg, steht der Stiefvater vor ihrer Tür und hat sich eines Besseren besonnen. Schwups, sind plötzlich starke Gefühle für Luisa vorhanden. Eine nicht unerhebliche Erbschaft, die Luisa gemacht hat, hat ihm zu Klarheit verholfen. Wider jede Vernunft schmeißt sich Lisa ihm an den Hals, die beiden kehren zurück in das Dorf in Österreich, in dem alles begann. Natürlich verläuft das Zusammenleben mit Bob auf Dauer nicht so rosig, wie sich Luisa schon immer ausgemalt hat. Zufall und Schicksal nehmen ihr die Entscheidung über eine gemeinsame Zukunft mit Bob ab.
Schon präsentiert sich der nächste Mann: Ferdinand, lokaler Politiker, ein Mann der Öffentlichkeit. Das Leben an seiner Seite würde Luisa gut zu Gesicht stehen. Sie schmeißt sich ihm an den Hals, er lässt sich unverständlicherweise auf eine Beziehung zu ihr ein. Und es läuft wie immer: die Anfangs-Euphorie flaut ab, aus Leidenschaft wird Langeweile, und die Beziehung läuft auf ein - zumindest für den Leser - befriedigendes Ende zu.
Selten kann ich aus tiefster Überzeugung von einer Protagonistin behaupten, dass ich sie nicht leiden kann und dass ihre Allüren ein permanent aufreibendes Ärgernis für mich sind. Doch diesmal ist es so: Ich kann Lisa nicht ausstehen!!! Sagt das etwas über die Qualität des Romans aus? Beileibe nicht und ganz im Gegenteil, denn ich liebe diesen Roman! Durch die Erzählperspektive aus Sicht von Luisa, begibt man sich auf Erkundungstour in eine Gedankenwelt, die durch die unvergleichliche Egozentrik der Protagonistin fasziniert. Luisa ist eine tragische Gestalt, die sich eine eigene, abstruse Realität schafft. Egal, wie unsinnig, verantwortungslos und wirklichkeitsfremd ihr Verhalten ist, sie schafft es immer, sich die Welt zu reden, wie sie ihr gefällt. Schuldgefühle gibt es in Luisas Kosmos nicht, denn bei allem Scheitern, mit dem sie sich auf unangenehme Weise konfrontiert sieht, betrachtet sie sich immer als das Opfer.
Die Darstellung der Figur Luisa ist so überzogen negativ, dass beim Lesen ein Sog entsteht, forciert durch ungläubige Fassungslosigkeit. Menschen wie Luisa gibt es im echten Leben doch hoffentlich nicht, oder?
Sprachlich habe ich diesen Roman als sehr kompakt erlebt. Anfangs haben mich verschachtelte Sätze in Überlänge gestört, von denen aber im Verlauf der Handlung, die Darstellung der besonderen Protagonistin abgelenkt hat.
Ich danke dem Autor für seine Naturbeschreibungen, die atemberaubend schön sind und dafür gesorgt haben, dass meine hohe Herzfrequenz, verursacht durch die einzigartigen Eskapaden von Luisa, für einen kurzen Moment wieder heruntergefahren werden konnten.
Fazit:
Mit Luisa Fischer haben wir eine Protagonistin, die den Leser mit ihrer eigenwilligen Gedankenwelt und ihren schrecklichen Eskapaden in den Bann zieht und diesen Roman dadurch zu etwas Besonderem macht.
©Renie